Der leere Thron 1

Abgeschickt von Christos Mouhameddos Mose am 03 August, 2003 um 07:35:30:

Der leere Thron

Ist der liebe Gott erst 2000 Jahre alt? Besaß er ursprünglich gar eine Frau? Archäologen haben in Israel heidnische Heiligtümer und vergoldete Götzen entdeckt Die Funde ermöglichen einen neuen Blick auf den Ursprung der monotheistischen Weltreligionen

Darf man dem Propheten Samuel glauben, so begann der biblische König David seine Laufbahn als Hirtenjunge Er war blond, von "schöner Gestalt" und spielte süß die Harfe Als junger Held tötete er mit der Steinschleuder den riesenhaften Philister Goliat Dann, angeblich um 997 v Chr, warf er seine Armee gegen Jerusalem
Seitenlang feiert das Alte Testament den Mann als Auserwählten und Gesalbten des Herrn 40 Jahre lang saß der Gründer der jüdischen Nation auf dem Thron, ehe er als Inhaber eines Reichs verblich, das vom Euphrat bis zum Mittelmeer reichte

Nur, wo sind die Spuren dieses glanzvollen Landes? Wer heute durch den Osten von Jerusalem läuft, stößt an einem Steilhang auf ein Grabungsareal, "Davidstadt" genannt Am Eingang stehen Soldaten mit schussbereiten MG Sie bewachen kümmerliche Ruinen

"Schauen Sie!" Hanswulf Bloedhorn vom Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft im Heiligen Land zeigt auf ein zerbröckeltes Haus Es ist 16 Quadratmeter groß und besaß weder Küche noch Fenster Gekocht wurde draußen Daneben liegt eine Steinplatte mit einem Loch "Das war das Klo", erklärt der Forscher

Ist das Davids Glanz und Herrlichkeit? Laut 1 Könige, Kapitel 10 gab es in der Hauptstadt "Silber so häufig wie Steine"

Davon kann keine Rede sein Unter dem Spaten der Ausgräber ist das bronzezeitliche Jerusalem zum Dorf geschrumpft Es war ein Ort mit kaum 2000 Einwohnern Der Berliner Ägyptologe Rolf Krauss spricht von einem "Provinznest"

Solche Befunde stehen nicht allein Moderne Bibelkundler klopfen schon seit längerer Zeit wie mit der Abrissbirne gegen das Alte Testament Sichtbar wird ein Gespinst aus Legenden

Von allen Seiten rücken die Fahnder an Pollenanalytiker streifen durch die militärisch besetzten Gebiete Judäa und Samaria Orientalisten entziffern Keilschrifttafeln Und auch in alten Texten vom Nil finden sich Hinweise auf die wahre Geschichte der Hebräer

Vor allem die historische Basis der Bibel wankt Den jüngsten Hieb hat jetzt Israel Finkelstein, Chef-Ausgräber an der Universität Tel Aviv, geführt Sein Buch "Keine Posaunen vor Jericho" bestätigt, dass Kerntexte der Bibel unwahr sind:


Ein Auszug jüdischer Stämme aus Ägypten fand nie statt

Kanaan wurde nicht, wie im Buch Josua beschrieben, gewaltsam erobert

Die Ur-Reiche von David und Salomo sind Trug Diese israelitischen Könige herrschten nur über "unbedeutende Teile von Randregionen" Finkelstein
Als Märchen und monumentale Camouflage - so steht das Wort Gottes mittlerweile da Wo die Forscher geschichtliche Fakten vermuteten, sehen sie nun politische Propaganda "Wir stehen vor einem Dammbruch", gibt Dirk Kinet zu, der an der Universität Augsburg Biblische Sprachen lehrt

Denn auch die Entwicklung des Monotheismus verlief völlig anders, als die Heilige Schrift glauben machen will Im Gewand der Ewigkeit tritt Gott dort an Er steht jenseits der Zeit - ein Wesen, das nie geboren wurde und nie sterben wird

Bereits der Erzvater Abraham opfert angeblich um 1800 v Chr diesem allmächtigen Wesen "Gott ist einzig", bekennt auch Mose, nachdem sich ihm der Herr im brennenden Dornbusch offenbart

Nur allzu gern verklärten konservative Bibelkundler das Volk Israel zur Sonder-Ethnie Doch die Archäologie macht jetzt klar: BAuch der Herrgott hat mal klein angefangen

Anfangs sei Jahwe nur ein Wettergott gewesen, erklärt der Augsburger Experte Kinet: "Er war ein Garant der Fruchtbarkeit, dessen sexuelle Darstellung erst langsam zurückgedrängt wurde"

Götzen aus Ton und Metall wurden im Heiligen Land entdeckt, auch kleine Tonfiguren mit drallen Brüsten und Pos Die Geburt Gottes aus dem Schoß der Vielgötterei - das ist der Rahmen, in dem die neuen Erkennnisse angesiedelt sind:


In Jerusalem blühte die Tempelprostitution;

Gott besaß ursprünglich eine nackte Begleiterin;

noch um 100 v Chr hingen die Bauern der Gegend heidnischen Ritualen an/B
Vor allem in Ugarit, 400 Kilometer nördlich von Jerusalem, kommt "die dunkle Vergangenheit der Religion Israels zum Vorschein", wie es der französische Ausgräber André Caquot ausdrückt Ritualtexte und Goldstatuen wurden freigelegt Ein Fund zeigt ein Männchen mit Bart Es ist der weise Greis und Himmelsvater "El" - eine Urform Gottes

Die Einsicht, dass sich der Herr aus einem heidnischen Götzen entwickelte, mag schmerzen, ist aber längst überfällig Wie mit dem Fernrohr blicken die Experten in jene Wolke zurück, in der sich die Geburt des Allmächtigen vollzog Die Forschung sieht immer klarer die metaphysische Baustelle, auf der diese Macht Schritt für Schritt erschaffen wurde

Mit ihren teils sensationellen Einsichten zerren die Wissenschaftler jenes Glaubenswerk ans Licht der Vernunft, das immer noch wie eine düstere und mysteriöse Festung dasteht

Nur allzu gern räumten fromme Exegeten den Hebräern eine historische Sonderstellung ein "Im vollen Bewusstsein einer erhabenen Idee" habe ein semitischer Hirtenclan "alle Güter dieser Welt geopfert, Qualen erduldet und sein Leben hingegeben", formulierte Simon Dubnow in seiner zehnbändigen "Weltgeschichte des Jüdischen Volkes"

Richtig an solchen Verklärungen ist, dass Kanaan wie kaum ein anderer Landstrich der Antike mit Krieg überzogen wurde Mal legten die Pharaonen ihre Klaue auf das Land, die Babylonier führten hier Massendeportationen durch Es folgten Perser und Griechen Schließlich kamen die Römer und machten das Gebiet zur Kolonie

Mauerbrecher und Wurfmaschinen ließ der römische Kaiser Vespasian beim großen jüdischen Aufstand 70 n Chr gegen Jerusalem in Stellung bringen Rund 20 000 Legionäre zogen heran Die unbotmäßigen Bauern leisteten Widerstand "wie der Vietcong" Bloedhorn Sie verbanden ihre Häuser mit Fluchttunneln
DER SPIEGEL

Es half nichts Im August des Jahres war die Festung am Berg Zion erschöpft Legionäre in Kettenhemden durchbrachen die gegnerischen Reihen und erstürmten den Hügel, auf dessen Kuppe der große Jahwe-Tempel stand Dort zündelten sie

Eindringlich hat der Historiker Josephus Flavius, Zeuge des Überfalls, von der Untat erzählt Er beschreibt die Holzkreuze entlang den Straßen, an denen angenagelte Rebellen hingen Vorbei an dieser Kulisse entführten die Sieger die Tempelschätze nach Rom, darunter den siebenarmigen Leuchter Menora

Viele Demütigungen flossen in die Bibel ein, Verzweiflung und aus Wut geborene Allmachtsphantasien sind darin gestaut Per Federstrich verwandelten ihre Verfasser den Turm von Babel zur Bauruine in Wahrheit wurde das über 90 Meter hohe Gebäude fertig gestellt Beim Propheten Ezechiel fällt Gott den Pharao an wie ein wildes Tier: "Ich tränke das Land bis hin zu den Bergen mit der Flut deines Blutes"

Aber erst jetzt, über 2000 Jahre nach Erschaffung all dieser Mythen und religiösen Urbilder, setzt ihre nüchterne Aufarbeitung ein Die Forscher dringen an die Wurzeln des Alten Testaments vor - allerdings mit der Axt

Immer deutlicher wird, dass Gottes Wort, das "Buch der Bücher", voller Mogeleien steckt Eine Gruppe von Fälschern, "Deuteronomisten" genannt, bürsteten Realgeschichte um; sie verzerrten die Wirklichkeit, schafften unbequeme Fakten beiseite und erfanden, nach Art eines Hollywood-Drehbuchs, die Geschichte vom Gelobten Land


Die jüdischen Bauern bauten Fluchttunnel und wehrten sich wie der Vietcong
Wie die Arbeit im Einzelnen ablief, ist längst nicht vollständig geklärt Die biblische Zensurbehörde ging geschickt vor Wie Mehltau liegt ihre Version der Zeitläufe auf der Geschichte Im Prinzip arbeitete sie so perfekt wie das Wahrheitsministerium von George Orwell

Nur der Tatort steht fest: Es war der Tempel von Jerusalem, in dem alle Fäden zusammenliefen Auf jenem Hügel der Stadt, wo sich heute die Aksa-Moschee und der Felsendom erheben, lag einst das Zentralheiligtum der Stadt

Bärtige Priester mit Kleidern, an denen Kordeln, Schellen und Edelsteine hingen, liefen in dem Gemäuer umher Sie hantierten mit Räucherwerk und schlachteten Stiere Bei einem der Riten benetzten sie ihre Ohrläppchen mit Widderblut

Wer den Tempel der Länge nach durchschritt, gelangte am Ende vors Allerheiligste, den "Debir" Dort standen im Zwielicht zwei mit Gold überzogene Kerubim: geflügelte Löwen mit menschlichem Gesicht, die den Thron Jahwes bewachten

Dieser war leer

Es ist das Nichts, die große Negation - als Chiffre für die Unendlichkeit des Geistes -, die als Pionierleistung der jüdischen Theologie gilt Während alle Welt noch Tamtam machte und Götzen verehrte, erließen die Juden ein Bilderverbot und stießen ins Reich des Universellen vor

Aber stimmt das überhaupt? Auch ihre geistige Ersttat wird den Hebräern streitig gemacht Um die Frage nach Alter und Erscheinungsdatum der Heiligen Schrift brennt eine Debatte Drei Lager liegen im Clinch:


Die Traditionalisten behaupten, die Haupttexte der Bibel seien etwa ab 1000 v Chr entstanden

Die Gemäßigten tippen auf 600 v Chr

Die "Minimalisten" halten das Alte Testament für ein "hellenistisches Werk" Es sei in der Substanz erst nach 330 v Chr - und damit nach dem Tod der griechischen Philosophen Sokrates und Platon verfasst worden
Noch weiter geht ein Mann aus Heidelberg Bernd Jörg Diebner redet schnell, er hat schütteres Haar und lehrt seit 30 Jahren Theologie Anfang des Jahres, nach langem Zögern, entschloss sich die Evangelische Fakultät den Gelehrten zum Professor zu berufen Er ist 63 Jahre alt

Bis zum letzten Platz war die mit Holz ausgeschlagene Aula besetzt, als der frisch Gekürte zu seiner Antrittsvorlesung schritt Israel sei eine "mystische Größe", verkündete der Akademiker Dann beschrieb er die Tora als "diplomatisches Kompromisspapier", an dem womöglich noch bis 50 n Chr gefeilt wurde

Für Diebner ist die Bibel das Ergebnis eines Machtgerangels um die religiöse Federführung - ein kulturpolitischer Krimi, angeführt vom Hohepriester in Jerusalem, der historische Fakten umschrieb und "seine eigenen Großmachtträume in die Vergangenheit projizierte"

Gut für den Professor, dass die Feuer der Inquisition verloschen sind Heute wird keiner mehr verbrannt, wenn er den Herrn lästert

BGleichwohl gilt es, religiöse Gefühle zu achten: 3,1 Milliarden Juden, Christen und Muslime stützen sich auf die Aussagen des Alten Testaments/B Übersetzt wurde die Bibel in rund 2300 Sprachen und Dialekte In Luthers Fassung enthält sie 773 000 Wörter

Randvoll mit spannenden Geschichten ist das Buch gefüllt, einige kreisen um Vergewaltigung und Brudermord Menschen erstarren dort zu Salzsäulen, sie verkaufen ihr Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht oder sie werden, wie Hiob, durch Geschwüre entstellt Über 20 Propheten treten an Das Hohelied bietet Liebeslyrik Das Buch Prediger gleicht einer philosophischen Abhandlung siehe Grafik

Auch die Hauptfigur wirkt uneinheitlich Mal heißt sie Jahwe, mal El oder Elohim Zuweilen erscheint Gott als Wolke, dann wieder kleidet er sich in eine Feuersäule und weist Mose den Weg

Wer hat sich diese Mammutschrift ausgedacht? Die ältesten bislang gefundenen Schriftrollen, die Texte biblischer Propheten enthalten, stammen aus Qumran am Toten Meer Einige der Fetzen konnten mit der Kohlenstoffisotop-Methode datiert werden: die frühesten sind um 240 v Chr entstanden

Nach Ansicht der Forscher reichen die Ursprünge der Bibel und ihrer Propheten aber viel weiter zurück Die Qumran-Rollen seien nur Abschriften von Abschriften

Dutzende von Orten und Personen werden in der Bibel genannt Aus all diesen Eckdaten schuf die Forschung eine Chronologie, die dem konservativen Forschungslager bis heute als Richtschnur gilt Demnach lebten die Erzväter um etwa 1800 v Chr Und um 1250 v Chr zogen die Israeliten aus Ägypten aus

Diese vermeintlich bronzezeitliche Vorgeschichte Israels wird im 1 Buch Mose ausgebreitet Alles beginnt mit Abraham, einem Hirten, der aus Ur im heutigen Irak stammte Von dort bricht der Mann auf Geheiß Gottes nach Kanaan auf

"Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen", erklärt der Allmächtige Abraham tut sein Bestes und stellt bei Bethel und Sichem Altäre auf Nach einem Abstecher ins Nilreich kehrt er reich beschenkt nach Palästina zurück, wo er 175-jährig "lebenssatt" stirbt

Sein Sohn Isaak, Nomade wie der Vater, zeugt Jakob, dessen zwölf Söhne die Stämme Israels bilden Der Eitelste von ihnen, Josef, wird von seinen Verwandten in eine Falle gelockt und mit einer Karawane nach Ägypten verkauft

Rührend erzählt das 1 Buch Mose, wie der Verstoßene als Traumdeuter am Nil zum Minister aufsteigt Kurz danach bricht in Kanaan eine Hungersnot aus Die Brüder bitten in Ägypten um Hilfe Josef, dessen Kornspeicher voll sind, triumphiert

Bald aber wendet sich das Geschick Ein neuer Pharao kommt an die Macht und zwingt die Juden zum "Frondienst auf dem Felde" Auch müssen sie in "Ramses" Ziegel schleppen: Der Name steht für die im Nildelta gelegene Metropole Ramses-Stadt, deren Bau um 1270 v Chr begann

Unerträglich wird das Joch der Knechtschaft Wie später so oft, ziehen die Bibelautoren alle Register, um die Not der Gotteskinder in düstersten Farben zu malen Doch es gibt ja Mose

Das hebräische Findelkind, aufgewachsen am Pharaonenhof, wird zum Werkzeug des Herrn Per pedes führt der Religionsstifter sein Volk aus dem "Sklavenhaus" am Nil heraus Nun weitet sich das Familiendrama zum historischen Massenspektakel Die Zeit der Zeichen und Wunder beginnt

"600 000 Mann" gehen mit Mose auf die Flucht Jahwe teilt das Rote Meer - freie Bahn zum Sinai Dortselbst schreibt Gott mit dem Finger die Zehn Gebote in Stein, die sein Diener in der Bundeslade verstaut, dem "heiligsten nationalen Symbol" der Juden Finkelstein Kaum vom Sinai herabgestiegen, muss er allerdings mit ansehen, wie sein Volk ums Goldene Kalb tanzt

Ein Machtwort beendet das Treiben Unter Josua, Moses Nachfolger, geht es dann auch militärisch voran Jericho fällt im Klang der Kriegshörner Und immer wieder leistet der Herr Schützenhilfe Mal lässt er "Hagelsteine" regnen, in Gibeon hält er sogar die Sonne an, damit die Juden noch bei Tageslicht auch den letzten Feind erschlagen können

Was für eine Gründerstory! Eng verzahnt mit dem Willen des Allmächtigen, der für die Gebietsansprüche bürgt, wird das Feindesland aufgerollt Und all dies geschieht in einer Zeittiefe, die legendär und "bronzezeitlich" zu nennen wäre

An dieser Fama orientierten sich früher auch die Archäologen Als man bei Grabungen nahe Jericho gewaltsam zerstörte Mauern fand, waren sogleich die Posaunen schuld Jeder kaputte Ziegel wurde als Manöverschaden aus Josuas Blitzkrieg gedeutet

Erst in jüngerer Zeit geriet diese Lesart der Bibel zunehmend in Bedrängnis Abraham reitet ständig auf Kamelen herum Wie war ihm das möglich? Als Lastenträger kamen diese Tiere erst nach 1000 v Chr zum Einsatz

Bald geriet auch Mose in Verdacht, nur eine Fabelfigur zu sein Um 950 v Chr habe der Verfasser der Sinai-Geschichte gelebt, und zwar als Hofschreiber im Palast von König David, so der alte Verdacht Nur, warum zahlen die Juden dann - in 1 Mose, 42 - ihr Getreide mit Metallgeld? Die ältesten Münzen stammen aus Kleinasien und wurden erst im 7 Jahrhundert v Chr erfunden

Keine Frage: Der Pentateuch, die fünf Bücher Mose, die von den gläubigen Juden als Tora verehrt und für besonders heilig gehalten werden, ist keine Primärquelle aus der Bronzezeit Schriftkundige "Fälscher" Krauss haben ihr nur eine künstliche Patina verpasst

Vor allem das Buch Josua verdreht die Realgeschichte total Rasant prescht darin der Feldherr bei seinem Eilkrieg über den Jordan und rottet, angetrieben vom jähzornigen Herrn, die Urbevölkerung und deren Vielgötterei aus

Die neuen Grabungen, die Israels Antikenbehörde derzeit durchführt, zeigen nun das ganze Ausmaß des Schwindels "Die Besiedlung Kanaans verlief in Wahrheit friedlich und langsam", erklärt Finkelstein

Fakt ist, dass um 1200 v Chr semitische Hirtenstämme von der Wüste aus ins westjordanische Bergland einsickerten und dort sesshaft wurden Es waren Leute, die auf Holzpritschen schliefen und kein Schweinefleisch aßen Ihre Häuser hatten Platz für vier bis fünf Personen


Der Norden der Region bis hoch zum See Genezaret bot den Neusiedlern einige Annehmlichkeiten Zwischen den sanften Hügeln zogen sie Wein und Oliven

Weiter südlich, zwischen Jerusalem und Hebron, ging es karger zu In zerklüfteten Schluchten wuchsen stachelige Sträucher, die Wasserlöcher waren knapp

Insgesamt lebten um 1000 v Chr in den Bergen von Kanaan nur rund 50 000 Menschen Der Süden war besonders ungastlich und extrem dünn besiedelt

Zudem gab es ständig Ärger mit den Nachbarn Edomiter und Moabiter lebten in der Nähe Zur Küste hin, in der fruchtbaren Küstenebene, hatten sich die - vielleicht von Kreta stammenden - Philister in riesigen Städten breit gemacht Weiter nördlich siedelten Phönizier, umtriebige Seehändler, die Kinder opferten siehe Grafik

Uneingeschränkter Chef im Land aber war der Pharao Er beutete die Kupferminen des Landes aus Um 1250 v Chr ließ Ramses II eine Kette von Burgen und Wasserstellen quer durch das Land errichten, den "Horusweg" - Ausfallstraße für die Nilarmeen


Wo nur arme Ziegenhirten lebten, erstreckte sich laut Bibel Davids Superreich
Es ist schwer vorstellbar, dass ein Zeltschläfer wie Mose in diesem hochgerüsteten pharaonischen Sperrgebiet Feldzüge hätte anzetteln können 1207 v Chr wird zwar ein Stamm Israel auf einer Stele von Pharao Merenptah genannt Doch der Text bezieht sich auf eine Strafaktion des Nilkönigs und lautet barsch: "Dein Same, Israel, ist dahin"

Tribute zwackte der Pyramidenboss den Bürgern ab Wer der Fronarbeit entgehen wollte, floh in die Berge Dort lebten bald Flüchtige und Outlaws Viele Experten leiten den Begriff Hebräer von "hapiru" ab - was so viel wie "Vagabund" heißen kann
lemming Ausgerechnet in dieser armseligen, karstigen Welt von Kanaan lässt die Bibel glanzvolle Monarchien erstehen Wo in Wahrheit bärtige Hirten in Wollkutten lebten, erstreckte sich angeblich das Superreich von David Mehr noch bei seinem Nachfolger Salomo greift die Bibel in die Vollen 700 Angetraute leben im Harem dieses Regenten 300 weitere Frauen liebkost er auf unehelicher Basis Sein Palast ist riesig und gemütlich mit Teppichen ausgelegt Und die Schatulle quillt über: Laut Bibel übertraf Salomo "an Reichtum alle Könige der Erde"
Auch kulturpolitisch klotzt der Monarch Mose, als Wüstennomade, hatte noch im "Offenbarungszelt" dem Herrn geopfert Salomo errichtet Gott nun ein Haus aus Stein Es ist "ganz mit Gold überzogen" und innen mit libanesischer Zeder ausgeschlagen Im Allerheiligsten steht die Bundeslade
Alle Versuche, dieses Heiligtum archäologisch nachzuweisen, sind allerdings gescheitert "Wir haben nicht mal den Grundriss des Tempels", gibt der Forscher Bloedhorn zu
Kein Zweifel, das Alte Testament fabuliert Hütten werden zu Palästen hochstilisiert Die Landnahme in Kanaan ist Nonsens Ob Mose je gelebt hat, bleibt zweifelhaft Und die Geschichte von Salomo gilt dem Schweizer Alttestamentler Othmar Keel als eine "Idealzeit" ohne historischen Kern
Wer griff da ins Rad der Geschichte? Welchen Zweck verfolgte er? Und - besonders wichtig - wie lange war die biblische Propagandamaschine in Betrieb?
Die Lösung dieser Fragen bereitet einiges Kopfzerbrechen Die Urheber der Heiligen Schrift gingen geschickt zu Werke Je mehr die Forscher in der Tora blättern, desto mehr Fangschlingen tun sich auf
Allein an den Büchern Mose arbeiteten mindestens vier Verfasser Einer davon war der "Jahwist", der den Namen Gottes stets mit dem Tetragramm JHWH "Ich bin, der ich bin" schreibt und wohl aus Jerusalem kam Ein anderer Erzähler "Elohist" lebte wohl im Norden des Landes Er nennt Gott Elohim oder El
Schwierig wird die Sache, weil das Buch Gottes nicht nur Dichtung und Phantasie enthält Einige Teile der Bibel erinnern fast an ein Lexikon der Realgeschichte
Harte Fakten liefern zum Beispiel die "Bücher der Könige": Sie berichten über die Zeit von etwa 1000 bis 587 v Chr, als das nebulöse Imperium des Salomo zerbrach und sich zwei Teilstaaten bildeten - Israel und Juda.


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