Re: das 5. Evangelium

Abgeschickt von Besserwisser am 04 August, 2003 um 16:12:10:

Antwort auf: das 5. Evangelium von logo am 02 August, 2003 um 21:38:22:

Aber einige Muslime haben sich entschieden, sich an einen "Ladenhüter" des 14. Jahrhunderts zu klammern, um es als "authentisches Evangelium" herauszustellen. Es ist das "Barnabas-Evangelium", das zuerst 1908 in Kairo in einer arabischen Übersetzung einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. In Deutschland ist es zuletzt im Spohr-Verlag (früher Turban-Verlag) 1994 aufgelegt worden.

Die Begeisterung des Muslime für dieses Buch wird verständlich, wenn man erfährt, dass dieses Evangelium des zypriotischen Juden Barnabas, ein Wegbegleiter des Paulus, einen Nazarener schildert, der sich ohne Widersprüche in das koranischen Jesusbild einfügt: keine Anspruch auf Gottessohnschaft, kein Ausscheren aus der jüdischen Tradition und kein Kreuzestod, stattdessen eine Ankündigung eines künftigen Propheten.

Müsste allein schon dieses stutzig machen, dass sich das Buch so problemlos in den Erwartungshorizont einfügt, so gibt sich die Überlieferungsgeschichte als Kriminalgeschichte aus, die als Vorspann eines historischen Romans so gerade noch durchgehen würde, aber keine Empfehlung auf Authentizität sein kann: Ein italienisches und ein spanisches Manuskript aus dem 16. Jahrhundert, die sich als Übersetzungen eines Originals aus dem 1. Jhdt. ausgeben, entdeckt im 5. Jhdt. im Grab des Barnabas auf Zypern, von der Kirche geheimgehalten und unterdrückt, aber dennoch dem Vergessen entrissen.

Ein angeblicher Fund einer aramäischen Version des Barnabas-Evangeliums nahe Hakkari in Ostanatolien stützt sich allein auf einen Zeitungsbericht der Zeitung "Türkiye" vom 25.07.1986. Aber wer die rechtslastige "Türkiye" kennt, weiß, dass er auf diese Nachricht ohne weitere Beweise nicht allzuviel geben kann.

Bei genauerer Lektüre des Barnabas-Evangeliums stellt sich dann auch heraus, dass der Text Unstimmigkeiten aufweist, die seine Entstehung im 14. Jahrhundert wahrscheinlich machen. Die Adaption der Kosmologie von Dantes "Göttlicher Komödie" und der Präsentation historischer Fakten in päpstlichen Dekreten machen sich hier bemerkbar. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass hier jemand erst im 14. Jhdt. den Versuch unternommen hat, ein fiktives Evangelium zu fabrizieren.


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