Re: kindlicher Glaube

Abgeschickt von Roger Pfau am 18 Oktober, 2003 um 13:19:53:

Antwort auf: Re: kindlicher Glaube von Stefan am 18 Oktober, 2003 um 02:18:53:

Gut, lassen wir diese wechselseitige Zuschreibung emotionaler Motivlagen einfach bleiben, da wir ohnehin nur darüber spekulieren können :-) Ich bitte um Verzeihung, wofern ich damit Verärgerung hervorgerufen haben sollte.

: Aber Sie würden ab diesem Zeitpunkt(Vorführung des Autos) doch sicher an die Existenz eines, bzw. dieses einen Autos glauben, vielleicht sogar das Gefühl haben zu wissen, dass es existiert?

In diesem Satz formuliert sich vielleicht ein wesentliches Problem. Nein, ich würde nicht an die Existenz des Autos glauben, das Auto würde vielmehr vom Status einer möglichen Wirklichkeit (und somit einer Irrealität) in den Status einer erwiesenen Wirklichkeit (und somit einer Realität) wechseln. Auch an dieser Stelle wäre keine Existenzfrage mehr offen, in umgekehrter Form wie bei meiner kleinen Weinhachtsgeschichte :-) .

Nun bin ich philosophisch nicht mehr naiv genug, um dabei an die Möglichkeit zu denken, "das Ding an sich" erreichen zu können. Wir erreichen immer nur die Signale, die "etwas" in unser Sensuarium einspeißt, worauf unser Gehirn das Bild einer Welt entstehen läßt. Es gibt jedoch einen signifikanten Unterschied zwischen bestimmten Signalen und bestimmten anderen Signalen. Wenn ich mich dem "Autosignal" verweigere, werde ich unter entsprechenden Umständen einen Augenblick später einen Realitätserweis erhalten, der mir nicht viel Freude machen wird.

Verweigere ich mich dem Signal "Gott" oder "Engel" geschieht einfach nichts. Anders gesagt "Gott" und "Engel" sind nicht als Verursacher von realen Wirkungen erfahrbar. Sehr wohl kann natürlich meine Beipflichtung oder Nichtbeipflichtung zu bestimmten Auffassungen über Gott und Engel reale Unterschiede bewirken. Das hat jedoch nichts mit deren realen Existenz zu tun, es ändert lediglich meinen Handhabungsmodus.


": Aber ich weiss, was Sie damit meinen. Sie erinnern sich aber an die Diskussion über das Problem, ob die Erde eine flache Scheibe oder nun doch eine Kugel sei ... "

Das illustriert es vielleicht ganz gut. Da sich seit Kant, wie schon gesagt, die Erkenntnis immer weiter duchsetzt, daß die inhärente Realität der Dinge uns verschlossen bleibt, weil wir nur unsere Wahrnehmung wahrnehmen, ist die Interpretation dieser Wahrnehmung die eigentliche Crux. Ich bin nicht der Ansicht, daß die gesellschaftliche, per Konventionen abgesegnete Weise dieser Interpretationen die einzig mögliche, oder auch nur die beste wäre. Ich halte die abweichenden Interpretationen von "Schizophrenen" oder von manchen Mystikern oder die durch manche halluzinogene Drogen erreichbaren Deutungen für genau so gültig, nur daß sie sich nicht durchsetzen können, da starke gesellschaftliche Konventionen sie mit Macht zurückweisen.

In diesem Statement formuliert sich, wie Sie bemerken, sowohl eine Annäherung, wie auch eine endgültige Absage an manche Vorstellungen, die um den Begriff "Gott" kreisen. Sofern es einem Menschen gelingt, seine entsprechende Deutung autark zu machen, ist sie genauso gültig wie jede andere Deutung; nur bleibt in diesem wie in jedem anderen Fall eine gewisse Restnotwendigkeit, sich nicht allzugroßer Illusionen hinzugeben hinsichtlich des Gegenwindes, dem autarke Deutungen ausgesetzt sind. Und die endgültige Absage: die Frage um die Existenz Gottes ist gar keine Existenzfrage, sondern eine Handhabungsfrage. Wenn wir schon nicht an einen "Baum an sich" herankommen, dessen Signale sich als auf eine wie auch immer geartete Ursache rückführbar erweisen, um wieviel weniger werden wir an "Gott" herankommen. "Transzendenz" ist für mich immer nur eine Ausrede gewesen.


: In dieser Analogie meinte ich, dass (fast) jeder an Gott glauben würde, wenn es einen bruch- und felsenfesten Beweis für die Existenz Gottes gäbe.

Wie schon gesagt, an einen sich real erweisenden Gott müßte mensch nicht mehr glauben, er/sie müßte nur zusehen, irgendwie mit ihm klar zu kommen.


: " ... So hat meiner Meinung nach auch ein Satanist einen Glauben, nur eben an den Teufel und nicht an Gott.

Ich habe mich in der Tat nicht mit allen, aber mit sehr vielen Richtungen auseinandergesetzt. Teil meines Theologiestudiums waren auch mehrerer Seminare in vergleichender Religionswissenschaft. Und auch dieser Neigung bin ich treu geblieben :-)

Da ich einige Menschen kenne, die echte Satanisten sind, möchte ich hier doch eine Lanze für sie brechen :-) echte Satanisten würden sich nicht um aus ihrer Sicht der Dinge derart vereinfachende Alternativen (Gott - Teufel) scheren. Echte Satanisten zeichnen sich durch die Einsicht aus, daß jedes Ordnungssystem, sei es religiöser, weltanschaulicher, gesellschaftlicher oder sonstiger Natur Anmaßung ist, der sie sich entziehen. Die Satanisten, die ich kenne, sind kluge, freundliche Menschen, die mit wachen Sinnen durch ihr Leben gehen, und immer ein bißchen verwundert darüber scheinen, wie albern Menschen sind. Gut, ich gestehe, eine derartige Einsicht (jedes Ordnungssystem ist Anmaßung) ist nicht dazu geeignet, Menschen, die Sicherheit nur im Rahmen ordnender Gesetze zu finden meinen, zu beruhigen. Aber das ist nicht das Problem eines Satanisten, wann und ob andere Menschen sich sicher fühlen.

Ich vermute, daß Sie an Satanisten im Rahmen von okkulten Praktiken, schwarzen Messen und dem ganzen Unfug denken. Das sind keine Satanisten, das sind einfach nur durchgehend sehr unweise und meist dumme Menschen.

Ihre weiteren Bemerkungen zum Glauben betreffend: Glauben ist imho schon okay. Was imho nicht okay ist, ist der Übergriff, der implizit im Allgemeingültigkeits- oder Absolutheitsanspruch enthalten ist. Wenn ein Mensch sich entschließt, sein Leben auf der Grundlage einer Religion zu gestalten, bin ich der Letzte, der etwas dagegen sagt. Wenn jedoch ein Übergriff erfolgt (à la "auch du mußt Jesus als deinen persönlichen Erlöser annehmen und ihm gehorsam sein"), so sage ich: "Denke und entscheide für dich selbst und nicht für mich".

ebenfalls freundliche Grüße
Roger


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